Wie Versicherer die Gliedertaxe berechnen

Düsseldorf – Damit möchte keiner rechnen. Aber mitunter sind bei einem Unfall die Verletzungen so gravierend, dass der Betroffene Körperteile verliert. Auch Sinnesorgane oder innere Organe könnten dauerhaft nicht mehr funktionieren.

Die private Unfallversicherung springt in so einem Fall ein – wie viel sie zahlt, richtet sich unter anderem nach der sogenannten Gliedertaxe.

Was genau ist diese Gliedertaxe?

Damit bemessen private Versicherer den Invaliditätsgrad nach einem Unfall – bezogen auf den «Gesamtkörper». «Von diesem Invaliditätsgrad hängt ab, in welcher Höhe eine Leistung auf Basis der vereinbarten Versicherungssumme ausbezahlt wird», erklärt Claudia Frenz vom Bund der Versicherten. Der Versicherer ordnet Gliedmaßen, Sinnesorganen und den inneren Organen für deren Verlust oder dauernde Invalidität feste Prozentsätze zu.

Sind die Bemessungswerte bei allen Anbietern gleich?

Nein. «Jeder Unfallversicherer bestimmt seine Gliedertaxe selbst», erklärt Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Aber viele Versicherer richten sich nach Empfehlungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Danach gilt bei Verlust oder vollständiger Funktionsunfähigkeit eines Auges ein Invaliditätsgrad von 50 Prozent, bei einem Fuß von 40 Prozent. Der Verlust des Geruchssinns macht 10 Prozent und des Gehörs auf einem Ohr 30 Prozent aus. Die Richtwerte des GDV sind Mindestempfehlungen. «Einige Versicherer legen höhere Werte in ihren Versicherungsklauseln fest», sagt Weidenbach.

Was gilt bei Teilverlust?

Ein vollständig funktionsunfähiger Arm bedeutet einen Invaliditätsgrad von mindestens 70 Prozent. Ist er um ein Zehntel in seiner Funktion beeinträchtigt, ergibt das einen Invaliditätsgrad von 7 Prozent – also einem Zehntel von 70 Prozent. «Abzüge gibt es auch dann, wenn Krankheiten oder Gebrechen am Verlust oder der Funktionsunfähigkeit mitgewirkt haben», erklärt GDV-Expertin Beate Weiße. Grundlage dafür ist ein medizinisches Gutachten.

Wie berechnet sich letztlich die gezahlte Summe?

Angenommen, es geht um die Invaliditätssumme von 100.000 Euro. Nun ist ein Daumen bei einem Unfall vollständig verloren gegangen oder zu 100 Prozent beeinträchtigt. Die vertraglich vereinbarte Gliedertaxe dafür beträgt 20 Prozent. Die Entschädigung beläuft sich demnach auf 20.000 Euro. «Bei einer Gebrauchsminderung des Daumens von 50 Prozent wird von den genannten 20 Prozent nur die Hälfte, also 10.000 Euro, an Entschädigung gezahlt», erklärt Weidenbach.

Addieren sich bei mehreren Verletzungen die Invaliditätsgrade?

Ja, wenn sie an unterschiedlichen Gliedmaßen auftreten, etwa rechtes Handgelenk, linkes Bein und ein Auge. Dann legt ein medizinischer Gutachter den Invaliditätsgrad für jede Verletzung fest. «Von jedem Invaliditätsgrad werden eventuelle Krankheiten oder Vorschädigungen abgezogen und dann die Ergebnisse addiert», erläutert Weiße. Der Invaliditätsgrad kann aber nicht mehr als 100 Prozent betragen.

Wie hoch sollte die Invaliditätsgrundsumme sein?

«Wichtig ist, sich individuell beraten zu lassen», rät Weiße. Bei der Kalkulation sollte man die aktuellen Lebensverhältnisse und bereits bestehende Versicherungsverträge berücksichtigen. «Bei Berufstätigen kann man sich an dem Alter und dem Einkommen orientieren», sagt Frenz. Bei Personen bis 30 Jahren sollte die Grundinvaliditätssumme ungefähr das Sechsfache des Bruttojahreseinkommens betragen, bei bis 40-Jährigen das Fünffache und bis 50-Jährigen das Vierfache.

Wie wichtig ist die Progression?

Vereinbaren Versicherer und Kunde eine Progression, steigen die Versicherungsleistungen bei höheren Invaliditätsgraden deutlich an. Bei Vollinvalidität komme ein Vielfaches der Versicherungssumme zusammen, bemerkt Weidenbach.

Fotocredits: Robert Günther,Verbraucherzentrale NRW,Christin Klose
(dpa/tmn)

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