Minuszinsen bei Riester-Sparplan sind erlaubt

Frankfurt – Millionen Menschen sorgen mit Riester-Verträgen fürs Alter vor. Was aber, wenn der Anbieter sein ursprüngliches Zinsversprechen nicht einhält und plötzlich Minuszinsen einpreist?

Der Fall eines Kunden der Kreissparkasse Tübingen beschäftigte das dortige Landgericht. Am Freitag (29. Juni) verkündete das Gericht seine
Entscheidung.

Wie hat das Gericht entschieden?

Die Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hatte keinen Erfolg. Das Landgericht hält die Zinsgestaltung der Sparkasse für transparent und konnte keine «unangemessene Benachteiligung von Verbrauchern» erkennen. Denn obwohl der Grundzins bei dem strittigen Produkt inzwischen negativ geworden sei, habe der von der Sparkasse zusätzlich gewährte Bonuszins verhindert, dass Kunden für ihre Sparverträge zahlen mussten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Worum ging es in dem konkreten Fall?

Gestritten wurde um den Riester-Banksparplan «VorsorgePlus», den mehrere Sparkassen in Deutschland anbieten. Im vergangenen August hatte die
Verbraucherzentrale Baden-Württemberg die Kreissparkasse Tübingen abgemahnt, weil das Institut damals für das Produkt einen Grundzins von minus 0,5 Prozent auswies. Der Grund: Die Sparkasse verrechnete den zugesagten positiven Staffelzins mit dem aktuell negativen variablen Zins. Das hält die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg für rechtswidrig. «Bei laufenden Sparverträgen darf die variable Verzinsung nicht ins Negative abrutschen», argumentierte Verbraucherschützer Niels Nauhauser. Zudem ging die Verbraucherzentrale gegen eine nach ihrer Einschätzung intransparente Klausel der
Kreissparkasse zur Zinsanpassung vor.

Wie ist die Position der Sparkasse?

Die Kreissparkasse hatte sich gegen die Kritik gewehrt: Keinem Kunden würden tatsächlich Minuszinsen in Rechnung gestellt. Die Grundverzinsung werde mit den zusätzlichen, fest vereinbarten Bonuszinsen der Banksparpläne verrechnet. Alle Kunden der Sparkasse erhielten deshalb aktuell unter dem Strich positive Zinsen.

Ist der Tübinger Fall ein Einzelfall?

Experten zufolge bisher ja. Allerdings ist er besonders pikant, sorgen doch etwa 16 Millionen Menschen in Deutschland staatlich gefördert per Riester-Vertrag fürs Alter vor – und verlassen sich dabei auf die vereinbarten Konditionen. Nach Einschätzung von
«Finanztest» hätten «auch viele andere Anbieter von Banksparplänen rechnerisch die Möglichkeit, Minus-Zinsen auszuweisen». Denn in der Regel seien Riester-Banksparpläne von Genossenschaftsbanken und Sparkassen mit einem festen Abschlag auf einen Referenzzins kalkuliert. Doch weil die anhaltende Niedrigzinsphase die Referenzzinsen nach unten drückt, kommen Anbieter in Schwierigkeiten, ihr Zinsversprechen zu halten.

Warum erheben Banken und Sparkassen überhaupt Negativzinsen?

Die Institute geben einen Teil der Kosten weiter, die die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) bei ihnen verursacht. Zwar bekommen Banken frisches Zentralbankgeld weiterhin zu null Prozent Zinsen. Zugleich jedoch müssen sie aufpassen, nicht zu viel Geld zu horten, das zum Beispiel über Einlagen von Kunden reinkommt: Denn für überschüssige Liquidität, die bei der EZB geparkt wird, verlangt die Notenbank 0,4 Prozent Strafzinsen.

Ist ein Ende der Zinsflaute in Sicht?

Nein. Das oberste Entscheidungsgremium der
EZB, der EZB-Rat, legte sich bei seiner jüngsten Sitzung Mitte Juni fest, dass die Zinsen mindestens «über den Sommer 2019» auf dem aktuellen Rekordtief verharren werden. Sparzinsen bleiben also vorerst mickrig.

An welche Kundengruppen geben Banken Negativzinsen weiter?

Minuszinsen sind längst kein Tabu mehr. Vor allem trifft es Firmenkunden und Profianleger wie Versicherungen und Pensionsfonds. Wenn sie Gelder der Bank überlassen, müssen sie häufig draufzahlen, statt Zinserträge zu kassieren. Die Branche scheute aber davor zurück, Privatkunden in großem Stil mit Negativzinsen zu belasten. Vereinzelte Ausnahmen gab es im Falle reicher Kunden.

Wie beurteilen Richter das Thema Negativzinsen für Bankkunden?

Im Januar urteilte das Landgericht Tübingen: Eine Bank darf Kunden bei schon bestehenden Verträgen nicht nachträglich Negativzinsen aufbürden. Entsprechende Klauseln verstießen gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regeln. Zugleich deuteten die Richter in ihrem Urteil aber auch an: Für grundsätzlich unzulässig halten sie Negativzinsen für Privatanleger nicht (Az.: 4 O 187/17).

Konkret ging es in dem damaligen Fall um die Volksbank Reutlingen, die ihre Kunden im Sommer 2017 per Preisaushang informiert hatte, dass bei bestimmten Anlageformen je nach Höhe und Laufzeit negative Zinsen – sprich: Kosten – fällig werden können. Wirklich verlangt hat die Bank Negativzinsen nach eigenen Angaben nie – und strich die umstrittene Klausel auch nach kurzer Zeit wieder. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg wollte den Fall aber vor Gericht geklärt sehen.

Fotocredits: Andrea Warnecke
(dpa)

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