Erbstreitigkeiten nehmen zu

Frankfurt/Main – Geld, Häuser, Wertpapiere – Jahr für Jahr wird

in Deutschland ein Vermögen vererbt. Streit ums Erbe wollen die

meisten Deutschen am liebsten vermeiden, wie eine repräsentative

Allensbach-Umfrage im Auftrag der
Deutschen Bank mit 1706 Befragten

ergab.

Doch in der Praxis klappt das in vielen Fällen nicht – mit

steigender Tendenz. Ein Grund: Die Hemmungen, über das Thema zu

Lebzeiten zu sprechen, sind groß. Immerhin nimmt der in

Düsseldorf veröffentlichten
Studie zufolge seit Jahren der Anteil

derjenigen zu, die ihren Nachlass in einem Testament regeln.

Wer schon einmal geerbt hat, berichtet überwiegend, die Aufteilung

des Erbes sei klar geregelt gewesen (73 Prozent). In mehr als der

Hälfte aller Fälle lagen alle notwendigen Dokumente vor (59 Prozent),

beispielsweise Vollmachten. Allerdings gab nur gut ein Drittel der

Befragten an, zuvor offen (35 Prozent) oder frühzeitig (34 Prozent)

über den Erbfall gemeinsam mit allen Beteiligten gesprochen zu haben.

«Dies könnte erklären, warum es heute häufiger Streit um das Erbe

gibt als in der Vergangenheit», folgern die Studienautoren.

Wurde bei der ersten Erhebung dieser Art im Auftrag der Deutschen

Bank 2015 noch von 17 Prozent Streitfällen berichtet, sind es in der

aktuellen Erhebung schon 19 Prozent. In den vergleichbaren Studien

der Vorjahre – noch unter Verantwortung der inzwischen in die

Deutsche Bank integrierten Postbank – berichteten die Befragten noch

seltener von Erbstreitigkeiten.

Der Trend widerspricht den Interessen künftiger Erben – denn die

wünschen sich mehrheitlich vor allem, dass es keinen Streit ums Erbe

gibt und dessen Verteilung klar geregelt ist (jeweils 78 Prozent).

Auch denjenigen, die etwas zu vererben haben, sind diese beiden

Aspekte am wichtigsten.

Vier von zehn Menschen (39 Prozent), die voraussichtlich etwas

vererben werden, haben nach eigenen Angaben ihren letzten Willen

bereits festgeschrieben. Der Anteil der potenziellen Erblasser, die

ein Testament gemacht haben, ist in den vergangenen Jahren

kontinuierlich größer geworden. 2012 waren es den Angaben zufolge 31

Prozent, 2015 dann 36 Prozent.

Allerdings: Die meisten Deutschen beschäftigen sich ungern mit dem

Thema Erbschaft (60 Prozent). Zugleich scheint es aber vielen

Menschen empfehlenswert, das sensible Thema zumindest dann

anzusprechen, wenn ein Testament verfasst wird (36 Prozent) oder wenn

jemand schwer erkrankt (21 Prozent). Dies ergab eine zusätzliche

Umfrage im Auftrag der Deutschen Bank unter 16- bis 69-Jährigen unter

anderem zum Thema «Gespräch über das Erben».

Ein gutes Fünftel der 1000 Teilnehmer dieser Erhebung ist der

Meinung, dass sich Familientreffen für ein solches Gespräch anbieten

(22 Prozent). Weihnachten halten allerdings gerade einmal 5 Prozent

der 1000 Befragten für eine gute Gelegenheit für ein Gespräch über

die Regelung des Nachlasses.

Wie viel Privatvermögen genau Jahr für Jahr in Deutschland vererbt

wird, dazu gibt es nur Schätzungen. Denn die offizielle Erbschaft-

und Schenkungssteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes weist nur

die steuerlich veranlagten Fälle aus. Über das Gros der Erbfälle sei

aufgrund hoher Freibeträge nichts bekannt – so das Fazit von

Forschern des Berliner DIW in einem 2017 veröffentlichten
Aufsatz.

Die DIW-Autoren wagten dennoch eine Aussage zum Erbvolumen in

Deutschland: «Berechnungen mit Blick auf das künftige Transfervolumen

legen nahe, dass in der aktuellen Dekade jährlich 200 bis 300

Milliarden Euro vererbt oder verschenkt werden beziehungsweise

zwischen 2015 und 2024 rund 3,1 Billionen Euro insgesamt.»

Fotocredits: Jens Büttner
(dpa)

(dpa)